Neuria

Multiple Sklerose - Warum es missverstanden wird

Multiple Sclerosis

Dies ist ein kleiner Artikel von mir, Eva, der dir einen kurzen Einblick in meine Erkrankung mit MS gibt. Vor meiner Diagnose wusste ich nicht wirklich, was MS überhaupt ist. Ich finde, dass das allgemeine Bewusstsein von MS fehlt und nicht richtig wahrgenommen wird. Um ehrlich zu sein, wusste ich selbst nicht, dass eine junge 25-jährige Frau von MS betroffen sein kann. Ich glaube, die Mehrheit ist sich dessen nicht bewusst. Normalerweise bekomme ich zwei Arten von Reaktionen, wenn ich jemandem erzähle, dass ich MS habe:

  1. Es wird entweder nicht so ernst genommen oder ist nicht schlimm genug, um sich Sorgen zu machen (die seltsamste Reaktion überhaupt, aber okay)

oder

  1.  in klares Todesurteil und anscheinend denkt jeder, dass man mit dem Leben abgeschlossen hat. (Auch sehr seltsam, aber ..okay)

Wenn ein Betroffener sich gegenüber einem Nicht-Betroffenen öffnet und eine Diagnose offenbart, dann glaube ich, dass man erst dann ein besseres Verständnis und Gespür dafür bekommen kann, wie man in so einem Moment reagiert, nur erreicht werden kann, indem man das gesellschaftliche Bewusstsein für Erkrankungen wie MS stimuliert.

Übrigens, antwortet nicht (wirklich, es ist nicht nötig, das zu erklären, tut es einfach nicht) wie in Option A oder B. Das gilt ehrlich gesagt für jede Diagnose. 

Also, lass mich kurz erklären, was MS ist. Vielleicht kann das irgendwie helfen, das Bewusstsein zu steigern, zumindest bei einigen Menschen.

Multiple Sklerose ist eine sehr unberechenbare Krankheit mit einem breiten Spektrum von Symptomen, die kommen und gehen, andauern oder sich verschlimmern, oft allerdings auch nur schleichend vorkommen können Wie man sich vorstellen kann, trägt diese Unstimmigkeit der Symptome vor allem zur emotionalen und mentalen Belastung der Betroffenen bei. Das Gefühl, stereotypisiert, nicht beachtet oder missverstanden zu werden, ist eines der schlimmsten Dinge, die ein Patient erleben kann.

MS ist eine Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems und somit eine Krankheit, die das Gehirn und das Rückenmark betrifft. Das zentrale Nervensystem ist die oberste Schaltzentrale für all unsere willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen, aber auch Sinneswahrnehmungen. Willkürliche Bewegungen beschreiben unsere absichtliche Motorik. Ein Beispiel hierfür wäre der Griff zur Kaffeekanne, um die Kaffeetasse nachzufüllen. (Achtung: Wir alle lieben zwar einen guten Kaffee, der uns den Morgen versüßt und uns ein wenig fähiger macht, den heutigen Mist zu bewältigen. Nichtsdestotrotz ist es nicht ganz ideal, wenn man unter Angstzuständen leidet. Koffein wirkt sich nämlich auf das Gleichgewicht der Neurotransmitter aus und kann die Stresshormone erhöhen, was wiederum Angstzustände hervorrufen kann. Es ist nicht ganz falsch, hier ein bisschen bewusster zu handeln und dem inneren Kaffeejunkie zu sagen, dass er sich ein wenig entspannen soll. Beste Grüße von mir an dieser Stelle, scheint als hätten wir etwas gemeinsam ;) )

Andererseits gibt es unwillkürliche Bewegungen,das heißt. man atmet, ohne daran zu denken. Das Herz pumpt Blut durch den Körper, ohne dass man daran erinnert werden muss. Im Grunde genommen sorgt unser Körper für die Balance all unserer internen Systeme, um uns am Leben zu erhalten (ziemlich nett). Wie dem auch sei, die Symptome, die aufgrund eines gestörten Nervensystems auftreten können, sind Zittern, Krämpfe sowie Muskelschwäche. Andere Symptome können Muskelsteifheit oder ein Verhärten der Muskeln sein. Das wird als Spastik bezeichnet. 

Als ob das nicht schon genug wäre, greift unser Immunsystem bei einer MS Erkrankung häufig die körpereigenen Nervenzellen an. Dafür gehen wir ein wenig tiefer in die Struktur der Nervenzellen, um den Prozess besser zu verstehen. 

Unsere Nervenzellen sind durch eine Hülle isoliert, die man auch Myelin nennt. Man kann sich das als eine Schicht vorstellen, die sich um die Signale, welche sich über unseren komplette Körper erstrecken, kümmert. Das Myelin ist wie eine schöne dicke, lange Decke, die unsere Nervenzellen bedeckt und dafür sorgt, dass die Qualität der durchlaufenden Signale auf dem höchsten Niveau bleibt. Bei MS wird diese Substanz beschädigt, wenn sie von unseren eigenen Immunzellen angegriffen wird. Das heißt das Signal ist abgeschwächt und führt zu einer verlangsamten und nicht zielgerichteten Reizübertragung. Diese entzündeten Bereiche verhärten sich mit der Zeit, was als Sklerosierung bezeichnet wird. Daher der Name Multiple Sklerose. Das Durchschnittsalter der Betroffenen liegt bei 30 Jahren, aber wie man sieht, wird man auch mit 25 Jahren nicht davor verschont. Außerdem sind Frauen doppelt so häufig betroffen als Männer (was meiner Meinung nach absolut nicht fair ist). Es gibt zwar kein spezifisches Gen, das die Krankheit verursacht, jedoch können trotzdem familienbedingte genetische Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von MS spielen. Wenn also dein Papa, oder deine Tante an MS erkrankt ist, ist es sehr gut möglich, dass auch du oder deine Geschwister an MS erkranken. Das Risiko an MS zu erkranken ist also deutlich erhöht, wenn direkte Verwandte selbst an MS erkrankt sind. Nach dem heutigen Stand der Forschung weiß trotzdem niemand genau, was der Grund für MS ist. Und was sind jetzt die Ursachen für die Entstehung von MS? Ja, richtig vermutet. Die Ursachen sind immer noch unklar. Anscheinend sind es mehrere Parameter bei der Entstehung von MS die eine Rolle spielen, wie zum Beispiel das Rauchen, Vitamin-D-Mangel, Infektionen, sowie die oben genannte genetische Veranlagung. MS kommt in Ländern mit weniger Sonnenlicht und gemäßigtem Klima häufiger vor. Andere gehen von einer Infektion mit Erregern aus, die strukturelle Ähnlichkeiten mit körpereigenen Zellen haben. Das Immunsystem bekämpft also den Erreger, aber auch körpereigene Strukturen, was wiederum zu einer Immunreaktion führt. Kein Krankheitsverlauf ist wie der andere. Jeder MS-Krankheitsverlauf ist unterschiedlich, jeder hat andere Symptome, man kann nicht voraussagen welcher Verlauf einen treffen wird. Dies ist auch der Grund dafür, warum MS auch als die Krankheit mit den 1000 Gesichtern bezeichnet. 

Dennoch gibt es bestimmte Symptome, die auf eine Erkrankung von MS hindeuten. Ich möchte hier mehr über meine Symptome erzählen. Was mir als erstes auffiel waren Sehstörungen. In meinem Fall war es so, dass ich nur durch einen engen Tunnel sehen konnte, den sogenannten Tunnelblick. Es ist für andere wahrscheinlich unvorstellbar , wie beängstigend das war. Weitere mögliche Symptome können aber auch Farbblindheit sein. Zusätzlich können bei Augenbewegungen Schmerzen auftreten. Als Ich vom Tunnelblick betroffen war, hatte ich 4 Wochen später Probleme mit der Funktion meiner Muskeln. Plötzlich konnte ich meinen rechten Arm nicht mehr bewegen. Und genau das war der Moment als ich das erste Mal realisiert habe: Mit meinem Körper stimmt etwas nicht. Meine Schübe kamen im Monatstakt.

8 Monate später erhielt ich die Diagnose MS, weil ich wie gesagt, zunächst nicht wusste, dass dies der Beginn von MS war. Das ist vergleichsweise sogar eine schneller Weg. 80 % der Betroffenen beschreiben plötzliche Müdigkeit, Lustlosigkeit und Schwäche. Das sogenannte Fatigue-Syndrom. Es sind schleichende Symptome wie diese, die die Diagnose verzögern. Ein geregelter Tagesablauf, gezielte Entspannungsübungen und die Einteilung der körpereigenen Kräfte können den Umgang mit dem Fatigue-Syndrom erleichtern. Was mir persönlich geholfen hat, war es meinem Alltag tägliche Routine zu verleihen. Den Morgen beginne ich mit einer entspannten Yoga-Session und einem wirklich guten Tee (statt Kaffee ;)). Danach frühstücke ich und plane meinen Tag. Es hilft - vor allem für die mentale und seelische Gesundheit, sich jeden Tag 3 Dinge zu notieren für die man dankbar ist. Ich habe angefangen, auf meinen Körper zu hören, ihm Zeit zu geben, wenn er sie braucht.
Etwa die Hälfte aller MS-Patienten entwickelt auch kognitive Störungen, das heißt Konzentrationsschwächen und Gedächtnisverlust, insbesondere betrifft dies das Langzeitgedächtnis. Weitere Symptome können Inkontinenz, Sensibilitätsstörungen wie Kribbeln, Taubheit und Empfindungsstörungen, sowie Sprach- und Schluckstörungen sein. Hinzu kommen chronische Schmerzen, besser erklärt: Schmerzen, die über einen längeren Zeitraum anhalten, oder akute Schmerzen. 

Therapie: Nachdem ich die Diagnose MS erhalten hatte, begann ich mich mit den besten Therapiemöglichkeiten zu beschäftigen. Das war nicht einfach, da es zahlreiche Therapien zur Behandlung von MS-Patienten gibt. Gerade zu Beginn der MS-Diagnose können individuell auf den Patienten zugeschnittene Therapien den Patienten helfen, den Krankheitsverlauf um Jahre zu verzögern und damit ein potentielles Fortschreiten der Behinderungen aufzuhalten. Wie bei den meisten Autoimmunkrankheiten wird versucht, die Aktivität des körpereigenen Immunsystems zu verringern, ohne es vollständig zu eliminieren. Das ist wichtig, damit der Patient nicht völlig schutzlos gegenüber Krankheitserregern ist. Um die Therapiemöglichkeiten kennen zu lernen, möchte ich die drei MS-Therapiearten vorstellen. Die verlaufsmodifizierende Therapie, die Rezidivtherapie und die symptomorientierte Therapie. Je nach Krankheitsverlauf oder Stadium, Geschlecht, Alter oder auch Kinderwunsch von MS-Patienten können diese Therapien kombiniert werden. Natürlich ist jede Therapie individuell auf den Patienten zugeschnitten.

a) Verlaufsmodifizierende Therapie: Die verlaufsmodifizierende Therapie zielt auf die bestmögliche Freiheit von Krankheitsaktivität ab. Das Ziel ist es, Schübe so weit wie möglich zu vermeiden bzw. deren Anzahl und Intensität zu reduzieren sowie ein Fortschreiten der Behinderung zu verhindern. Diese Form der Therapie beruht auf zwei Prinzipien: Bei der Immunmodulation wird die Immunantwort im Körper durch Botenstoffe umprogrammiert bzw. die Kommunikation zwischen den Immunzellen beeinflusst. Immunmodulatoren stellen die Balance zwischen immunsuppressiven und immunstimulierenden Mechanismen wieder her und schädigen dabei das Immunsystem nicht. Sie können auch dazu beitragen, geschädigte Myelinhüllen wieder aufzubauen und Narbenbildung im zentralen Nervensystem zu verhindern. Die Immunsuppression hingegen unterdrückt die Funktion der Immunzellen, so dass sie das Immunsystem nicht beschädigen können. Immunsuppressiva können unspezifisch sein, das bedeutet, sie hemmen mehr oder weniger alle Immunzellen, oder spezifisch, sie unterdrücken also nur bestimmte Bestandteile des Immunsystems.

b) Rezidivtherapie: Ziel der Rezidivtherapie ist es, die akute Entzündung zu stoppen, um die Dauer und Schwere eines Schubs zu verringern. Zu diesem Zweck werden Steroide in Form von kortisonhaltigen Präparaten eingesetzt. Kortison ist ein körpereigenes Hormon, das in der Nebennierenrinde gebildet wird und eine entzündungshemmende Wirkung hat. Schlägt diese Einnahme der Kortisonpräparate nicht an, kann in besonderen Fällen eine Blutwäsche durchgeführt werden, um schädliche Bestandteile im Blut zu entfernen, die zur Schädigung des Myelins beitragen.

c) Symptomorientierte Therapie: Zusätzlich zu den oben genannten Therapieformen kann eine symptomatische Therapie dazu beitragen, vorhandene Symptome zu verbessern, um die Lebensqualität von MS erkrankten Menschen zu erhöhen. Dazu gehören medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten, z.B. zur Schmerzlinderung oder Muskelentspannung, aber auch nicht-medikamentöse Behandlungen wie die Physiotherapie, Logopädie und Psychotherapie.

Nachdem ich all diese Therapiemöglichkeiten kennengelernt hatte, begann ich mit der verlaufsmodifizierenden Therapie. Für mich war dies die beste Option in meinem Stadium der MS. Ich habe angefangen, jeden Tag Tabletten zu nehmen. Und das hat bei mir ziemlich gut funktioniert. Ich glaube, das war auch das erste Mal, dass ich erkannte, dass ich krank war. Das geht aber bei weitem nicht jedem so. Therapieansätze und vor allem medikamentöse Therapien können sehr unterschiedlich auf den Körper reagieren.

Fazit: MS ist eine Krankheit, die meist junge Patienten ein Leben lang begleitet. Mit einigen Einschränkungen und Abstrichen im Leben ist zwar zu rechnen, aber glaubt mir, wenn ich sage, es ist nicht das Ende der Welt. Mit der richtigen Therapie und der Mitarbeit des Patienten ist die Multiple Sklerose eine sehr gut zu behandelnde Krankheit (jedoch noch nicht heilbar). Man kann eine Familie gründen, ein selbständiges Leben führen UND glücklich sein!

Außerdem gibt es heutzutage digitale Anwendungen die einem weiterhelfen können. Drei Jahre lang hatte ich kein Vertrauen darin, aber ich konnte durch solche Plattformen andere Betroffene kennenlernen, mich austauschen und andere unterstützen , aber auch unterstützt werden. Außerdem - und das unterbewertet man oft - können Apps einem dabei helfen an personalisierte Informationen bezüglich der eigenen Krankheit zu kommen. 

Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit einen digitalen Zwilling zu treffen, der dem MS-Betroffenen helfen kann, Konsequenzen bestimmter Therapiemaßnahmen zu offenbaren, also: Wie oft werden Kontrollen bei dieser Therapie notwendig sein, welche Kontrollen werden auf mich zutreffen (MRT oder Blutwäsche)? Der "Digitale MS-Zwilling" basiert auf verschiedenen MS-Merkmalen - wie z.B. Parametern aus Funktionstests aber auch neurologischen Untersuchungen, aus bildgebenden Verfahren, aus neuartigen neurobiologischen und immunologischen Daten sowie aus Informationen über die Lebensumstände und -pläne des Patienten, die mit Hilfe von auf KI basierenden Berechnungsverfahren untersucht werden. Patienten sollen ermutigt werden, ihr Leben selbstbestimmt zu führen, ganz im Sinne des Patienten Empowerments, ihren Lebensstil zu ändern und damit ihre Lebensqualität zu verbessern. Daher ist es umso wichtiger, MS frühzeitig zu erkennen. Die fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitssektor, die vor allem auf digitale Anwendungen zutreffen, sind daher sehr hilfreich, um neurologische Funktionen langfristig und messbar zu überwachen.

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